Rom ist nicht nur für seine atemberaubende Architektur und reiche Geschichte bekannt, sondern auch für seine lebendige Filmszene. Zum Glück gibt es hier noch einige Autorenkinos, die sich der Kunst des unabhängigen Films widmen. Eines dieser Kinos gehört dem renommierten italienischen Regisseur Nanni Moretti, der durch seinen Film "Mein liebes Tagebuch" (1993) auch international Berühmtheit erlangte. Sein Kino ist nicht nur für außergewöhnliche Filme bekannt, sondern auch für besondere Abende, an denen er selbst die Regisseure einlädt und nach der Vorführung mit dem Publikum über ihre Werke spricht – stets mit einem charmanten Hauch von Humor.
Neulich war ich in seinem Kino, als ein ganz besonderer Film auf dem Programm stand. Dort wurde der Film „Gloria!“ der Popmusikerin und Regisseurin Margherita Vicario ausgestrahlt. Der Film spielt im Venedig des späten 18: Jahrhunderts und erzählt die Geschichte junger Frauen, die im Istituto Sant'Ignazio, einer Mischung aus Waisenhaus, Konservatorium und Kloster, lebten. Die unbestrittene Hauptfigur neben Lucia, der ersten Geigerin von Sant'Ignazio, ist Teresa, die den Spitznamen "die Stumme" trägt, weil sie im Kloster nur stumm und einsam ihre Aufgabe als "Küchenmädchen" erfüllt und den Befehlen und Wünschen von Perlina, dem Kapellmeister, gehorcht.
In einer Atmosphäre der Unterdrückung und Unterwerfung können die jungen Komponistinnen jedoch dank Teresa, die in den Mauern des Klosters Zugang zum ersten Prototyp des Klaviers findet, rebellieren.
Die Regisseurin Margherita Vicario erzählt mit ihrem Regiedebüt die Geschichte von talentierten, außergewöhnlichen Musikerinnen, die sich nicht als solche behaupten konnten, weil sie Frauen waren.
Lange Zeit war das Komponieren tatsächlich eine rein männliche Tätigkeit; sicher, Frauen studierten Musik, sie konnten sehr gute Sängerinnen und hervorragende Virtuosinnen werden, aber diese Fähigkeiten dienten dazu, ihre Talente als Ehefrauen und Mütter zu „bereichern“. Der kreativste Aspekt des Musizierens, das Komponieren, war den Männern vorbehalten. Die Frau wurde in der Gesellschaft im Wesentlichen als Tochter, Ehefrau, Mutter und Schwester betrachtet. War die Frau jedoch verweist, nicht verheiratet und nicht im Kloster, musste sie geschützt werden. Denn durch Armut war die Frau ganz besonders bedroht – vor allem durch den Mann und riskierte den Weg in die Prostitution.
Daher entstanden sogenannte Konservatorien für benachteiligten Frauen, in denen ihnen eine christliche Erziehung gegeben und auf ihre Tugendhaftigkeit geachtet wurde. Hier wurden sie auf ihren Weg weiblicher Bestimmung gebracht: die Ehe oder das Kloster…
Aber was durch wissenschaftliche Studien nun belegt wurde: in diesen Konservatorien lernten die Waisenmädchen nicht nur das Lesen und Schreiben, das einfache Rechnen, Kochen und Nähen, sondern auch das Spielen eines Instruments, das Singen und das Komponieren. Unter ihnen, so wissen wir heute, waren großartige Sängerinnen, Musikerinnen und Komponistinnen. Viele Namen, die aufgrund der sozialen und kulturellen Stellung der Frauen im Laufe der Jahrhunderte fast unbekannt oder ganz vergessen sind. Und wer weiß schon, welche Musik sie komponierten? Vielleicht sogar eine Art Popmusik des 18. Jahrhunderts…
Diese vergessenen Sängerinnen, Musikerinnen und Komponistinnen wollte Margherita Vicario mit ihrem Film „Gloria!“ nun ehren. Und ich finde, das ist ihr gelungen!
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